„Aus Leidenschaft für den Lokaljournalismus“ Seit gut 100 Tagen ist Philipp Keßler Chefredakteur der Offenbach Post und somit neben Yvonne Backhaus-Arnold, Redaktionsleiterin Hanauer Anzeiger, und Jörg Moll, Ressortleiter Sport, Teil des dreiköpfigen Chefredaktionsteams. Beim 87. Rhein-Main Journalisten-Stammtisch stand er Heike Fauser im Kempinski Hotel in Gravenbruch Rede und Antwort.
„Neue Ära, neue Wege – wie sich die Offenbach-Post positioniert“ war die zentrale Frage des Abends, und im Verlauf wurde deutlich, wie unterschiedlich und komplex die Einflüsse sind, die auf eine Tageszeitung einwirken.
In seinem einleitenden 300-Sekunden-Statement betonte der 32-jährige Keßler, dass die Bedeutung des Lokaljournalismus auch in Zeiten einer komplexen Welt und eines immer schnelleren Informationsflusses nicht weniger werde: Im Gegenteil sei Lokaljournalismus nah dran an den Leuten, an den spezifischen Themen und vor allem an der Politik. „Es braucht uns, um die regionale Politik zu beobachten, zu kommentieren und inhaltlich aufzubereiten“, so Keßler. Es ist überzeugt: „Wo Lokalzeitungen gehen, stirbt die Demokratie.“
„Ich glaube daran, dass es immer ein Printprodukt geben wird.“
Ein großes Thema für ihn ist die Stärkung der Offenbach-Post als Marke. Hier sah der gebürtige Gießener vor allem die Nahbarkeit und die seriöse, gründliche Lokal-Berichterstattung als Markenkern. Der Leser solle das Gefühl haben, über alles, was in seiner Nachbarschaft passiere, seriös und hintergründig informiert zu werden. Persönliche Geschichten schafften dabei eine emotionale Verankerung.
Gleichzeitig sei die Regionalität manchmal auch ein Hemmnis, räumte Keßler ein. Sie führe mitunter dazu, dass große Themen nicht als solche betrachtet werden, sondern im Klein-Klein der Ortschaften verblieben. Da berichte man über eine geschlossene Kita in Rembrücken, ohne im Vorfeld zu recherchieren, ob dieses Thema auch woanders akut sei und man daraus eine größere Berichterstattung machen könne. Dies seien Punkte, die für die Zukunft anders strukturiert werden müssten.
Anders als der Gründer von Ippen Digital, bei dem die Offenbach-Post ebenfalls Kunde ist, sieht Philipp Keßler ganz klar auch in der Zukunft das Printformat als relevant an. Und auch wenn Jan Ippen, der beim 80. Rhein-Main Journalisten-Stammtisch vor zwei Jahren zu Gast war, sich dahingehend anders geäußert habe, so zeige doch der aktuelle Neubau der Druckerei am Standort Offenbach sehr deutlich, dass man an den Standort glaube – und an eine mindestens teilweise gedruckte Zukunft.
Dessen ungeachtet brauche auch die Offenbach-Post natürlich eine Präsenz in der digitalen Welt – neben regional zugeschnittenen Newslettern und einer App wird seit Ende 2023 auch der Instagram-Kanal redaktionell bespielt. Doch Keßler sieht seine Zeitung hier nicht in der Pflicht, die kurzen Reaktionszeiten der Social-Media-Kanäle rund um die Uhr zu bedienen. „Ein Insta-Reel aus der Stadtverordnetenversammlung mag zwar nett aussehen, hat aber inhaltlich keinen Mehrwert“, ist er überzeugt. Inhalte für Instagram oder TikTok – das als Kanal ebenfalls geplant ist – müssten von Anfang an mitgedacht werden, verdienten jedoch gleichzeitig eine Aufbereitung, die anders funktioniere als redaktionelle Beiträge. Das, so räumte er offen ein, könne – und müsse – im Verlauf nachjustiert und verbessert werden. Hierfür stehe man bereits mit den Experten in Kontakt, die es in der Ippen-Gruppe für diese Kanäle gebe.
Aus einer Publikumsfrage ergab sich das Thema der Diversität der Leserschaft und der Mitarbeiter der Zeitung. Hier räumte Keßler ein, dass das Erschließen neuer Zielgruppen mit Migrationshintergrund herausfordernd sei, da es hier oft keine „gelernte“ Tradition der Tageszeitung gäbe. Man versuche, die relevanten Themen vermehrt aufzugreifen, ohne mit der Stammleserschaft in Konflikt zu kommen. Ein Hemmnis für Menschen mit Migrationshintergrund sei oft die Sprache. Hier könnte ein unverhoffter Verbündeter das Problem lösen: Künstliche Intelligenz. „Angesichts immer besserer KI-Sprachmodelle ist Muttersprache vielleicht bald keine Bedingung mehr“, erklärt Keßler seine Überlegungen. Sein Haus nutze KI schon als Unterstützung, etwa beim Lektorat der Texte. Somit wäre die Unterstützung für Nicht-Muttersprachler ein möglicher nächster Schritt.
Ein Problem, dass die Offenbach-Post wie viele andere Medienhäuser umtreibt, ist die Suche nach Nachwuchs. Hier setzt die Chefredaktion auf direkte Wege: „Wir müssen direkt an die jungen Leute ran und ihnen erklären, dass Journalist der tollste Beruf der Welt ist.“ Dies erfolge vor allem über den Kontakt an Schulen, Berufsmessen und Universitäten. Schulpraktika, freie Mitarbeit und das anschließende Volontariat seien immer noch der Standard.
Ballcom bedankt sich herzlich beim langjährigen Sponsor, der Fraport AG, bei Philipp Keßler sowie bei dem Gastgeber und weiteren Partner des Rhein-Main Journalistenstammtisch, dem Kempinski Hotel Frankfurt.
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