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78. Rhein-Main Journalisten-Stammtisch

Live aus der Ukraine mit Kai Pfaffenbach


Kai Pfaffenbach Rhein-Main Journalisten-Stammtisch

Der Hanauer Fotograf Kai Pfaffenbach berichtet von der russischen Invasion in die Ukraine aus dem Kriegsgebiet. Für die Nachrichtenagentur Reuters hält er mit seiner Kamera bewegende, schreckliche und traurige Momente fest. In einem Extra des Rhein-Main Journalisten-Stammtisch ließ der Pulitzer-Preisträger via Zoom-Schalte hinter die Kulissen seiner Arbeit blicken. Nur drei Tage hatte Kai Pfaffenbach Zeit, seine Tasche umzupacken. Gerade fotografierte er noch in Peking die Olympischen Winterspiele, da erhielt er einen Anruf von Reuters: Er müsse dringend in die Ukraine – es drohe Krieg. Für den Mensch Pfaffenbach sicherlich kein leichtes Thema, aber er ist erfahren, hat schon in vielen Kriegsgebieten fotografiert, war in Syrien, in Afrika und erhielt für seine Fotos von den Massenprotesten in Hongkong 2020 den Pulitzer-Preis in der Kategorie „Breaking News Photography“. Pfaffenbach nimmt mit, was er braucht: zwei Canon-Kameras, eine Leica mit mehreren Objektiven, zwei paar Stiefel, einen Schlafsack, warme Klamotten, seine Schutzausrüstung – darunter eine Gasmaske - und ein Taschenmesser – „das einzig wirklich gefährliche, was ich wohl bei mir habe“, erzählt er. Insgesamt sind es 70 Kilo Gepäck, die er mit sich in die Ukraine schleppt. Pfaffenbach ist in einem Hotel untergebracht, in Lwiw, zu Deutsch Lemberg, etwa 65 Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Er schläft in einem warmen Bett, bekäme täglich gutes Frühstück – das kenne er aus Kriegsgebieten anders. „Wenn du in Lemberg nach 7 Uhr aus dem Hotel gehst, denkst du, es ist alles ganz normal. Die Leute machen nicht den Eindruck, als würden sie in Panik verfallen. Im Gegenteil, die Ukrainer sind verdammt stark.“ Aus Sicherheitsgründen sind viele Kriegsreporter angehalten, keine Interviews zu geben. Für den 78. Rhein-Main Journalisten-Stammtisch machen Pfaffenbach und Reuters eine Ausnahme. Bei seiner Live-Schalte trägt er Kopfhörer und einen grauen Kapuzenpullover, im Hintergrund sein Schutzhelm und seine schusssichere Weste mit der Aufschrift „Press“. Der 51-Jährige wirkt alles andere als angespannt. „Ich fühle mich hier relativ sicher.“ Nur „hundemüde“ sei er. Pfaffenbachs Tag beginnt, wenn in Lemberg die Ausgangssperre endet. Ab 7:30 Uhr ist er meist bis zu zehn Stunden auf den Beinen. Immer mit dabei ist sein Textkollege und ebenfalls Pulitzer-Preisträger, Andrew McDonald Marshall. Beide werden von sogenannten „Fixern“ begleitet, die übersetzen und Kontakte herstellen. Besonders bewegt habe ihn eine Szene am Bahnhof von Lemberg: zwei Menschen, der junge ukrainischer Soldat Vlodomyr hält Freundin Olga fest in seinen Armen, beide blicken sich verliebt an, lächeln, haben Tränen in den Augen. Ein Abschied für immer? Die Bilder sind so emotional, dass Pfaffebach sie auf sein Instagram-Profil hochlädt. „Wenn es irgendwas gibt, was ich mir heute wünschen könnte, dann, dass sich diese beiden bald wieder sehen“, schrieb er unter seinen Post. Das Medieninteresse ist weltweit groß. Wie viele Journalistinnen und Journalisten aus der Ukraine berichten, könne er nicht sagen. „Es ist auf jeden Fall alles hier, was in der journalistischen Welt jahrzehntelang Rang und Namen und viel Erfahrung hat, Kriegsreporter, etwa der US-Journalist Jim Nachtwey, von der New York Times bis hin zur CNN.“ Auf die Frage, ob er die Aussage einer Kollegin des Morgenmagazins bestätigen könne, dass dies der wohl am besten dokumentierte Krieg sei, sagt er: „Ich glaube, es gibt Gebiete, wo wir uns noch nicht vorstellen können, wie grausam der Krieg ist, entweder, weil man dorthin nicht kann, oder weil es noch keine technische Möglichkeit gab, die Sachen zu übermitteln. Ich denke, wir sehen noch nicht alles, was hier tatsächlich vor sich geht.“ Bis Pfaffenbach seine Freunde und Familie in Hanau wieder sehen kann, wird es wohl noch etwas dauern. „Ich hoffe, dass ich kommendes Wochenende wieder zurückkann.“ Zeit zum Verarbeiten und Entspannen bleibt nicht viel. Der nächste Fotoauftrag steht schon im Kalender: Die Fußball-WM-Auslosung in Doha am 1. April.




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